„Die Wissenschaft der Aromatherapie: Studien und Rezepturen für mehr Gelassenheit“

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Aromatherapie zeigt, dass ätherische Öle einen bedeutenden Einfluss auf das zentrale Nervensystem haben können. Zahlreiche Studien bestätigen die anxiolytischen, spasmolytischen und sedativen Wirkungen bestimmter Inhaltsstoffe, insbesondere von Linalool und Linalylacetat, die in vielen Pflanzenölen vorkommen. Beispielsweise enthält Lavendelöl nennenswerte Mengen dieser Substanzen, was ihre entspannende Wirkung unterstützt. Ähnliche Verhältnisse finden sich in verschiedenen Zitrusölen, die ebenfalls stimmungsaufhellende Effekte besitzen.

Die Wirkung der Öle beruht unter anderem auf der Länge der Kohlenstoffkette in den esterbildenden Säuren: Kurzkettige Ester wie Formiate haben eine milde spasmolytische Wirkung, während Ester längerer Ketten, etwa von der Buttersäure, deutlich beruhigend und angstlösend wirken können. Auch Ester der Anthranilsäure tragen zur psychischen Beruhigung bei – ein Phänomen, das beispielsweise in Mandarinen- und anderen Zitrusölen beobachtet wird.

Aktuelle Übersichtsarbeiten fassen präklinische und klinische Studien zusammen, die die angstlösende Wirkung ätherischer Öle dokumentieren. Untersuchungen zeigen, dass Aromatherapie in Form von Streichungen, Massagen oder Inhalationen signifikante positive Effekte bei Menschen mit Angstsymptomen erzielen kann – und das ohne unerwünschte Nebenwirkungen. In Pilotstudien wurden individuelle Ölmischungen auch bei pflegenden Angehörigen erfolgreich eingesetzt, wobei die subjektiven Angstwerte spürbar sanken.

Einige Studien haben spezifische Öle hervorgehoben:

  • Bergamotteöl: Inhalative Anwendungen führten zu einer Reduktion von Kortisolwerten und trugen zur Entspannung bei.
  • Orangenduft: Vor chirurgischen Eingriffen konnte durch gezielte Inhalation eine Senkung von Blutdruck, Puls und Atemfrequenz erreicht werden.
  • Lavendelöl: Neben der Inhalation zeigte die Einnahme von magensaftresistenten Lavendelöl-Kapseln vergleichbare anxiolytische Effekte wie herkömmliche Beruhigungsmittel – jedoch ohne das Risiko einer Abhängigkeit.
  • Rosengeranienöl: Aromamassagen mit verdünntem Rosengeranienöl führten zu einer signifikanten Reduktion von Atem- und Herzfrequenz sowie zu einer spürbaren Beruhigung.
  • Weitere Naturdüfte: Studien belegen auch die Wirksamkeit von Fenchelöl, Osmanthus und anderen pflanzlichen Ölen zur Verringerung von Stress und Angst.

Neben den direkten Anwendungen in der Aromatherapie wird auch auf ergänzende Maßnahmen hingewiesen, die in der aktuellen Situation helfen können. So werden etwa handliche, desinfizierende Lösungen empfohlen, die durch die Zugabe ätherischer Öle zusätzlich einen angenehmen Duft und pflegende Eigenschaften erhalten.

Zusammenfassend zeigt die Forschung, dass die gezielte Anwendung ätherischer Öle nicht nur zur Linderung von Angst und Stress beitragen kann, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden fördert. Die Kombination aus fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen und individuell angepassten Rezepturen bietet einen interessanten Ansatz, um in herausfordernden Zeiten mehr innere Ruhe und Gelassenheit zu finden.

Beispiele der Studien:

  • Eine wertvolle Übersichts-Arbeit über die angstlösende Wirkung von ätherischen Ölen (in prä-klinischen und klinischen Studien) ist nachzulesen bei: Zhang N, Yao L. Anxiolytic Effect of Essential Oils and Their Constituents: A Review. J Agric Food Chem. 2019 Dec 18;67(50):13790-13808
  • 361 Patienten inhalierten in dieser randomisierten kontrollierten Studie vor der als  unangenehm empfundenen Koloskopie Naturdüfte. Osmanthusduft reduzierte die Stärke der Angst signifikant, bei den Patienten mit starker Angst und Unwohlsein halfen Osmanthusduft und Grapefruitduft signifikant. Hozumi H, Hasegawa S, Tsunenari T, Sanpei N, Arashina Y, Takahashi K, Konnno A, Chida E, Tomimatsu S. Aromatherapies using Osmanthus fragrans oil and grapefruit oil are effective complementary treatments for anxious patients undergoing colonoscopy: A randomized controlled study. Complement Ther Med 2017; 34: 165–169
  • In einer japanisch-deutschen randomisierten Cross-over-Studie wurden 41 gesunde Studenten in 3 Gruppen aufgeteilt: Die 1. Gruppe ruhte für 15 min, die 2. Gruppe ruhte und atmete Wasserdampf ein, die 3. Gruppe ruhte, atmete Wasserdampf und Bergamotteöl ein. Danach wurden jeweils Speichelproben entnommen, um den Kortisolstatus festzustellen. Die Ergebnisse in den 3 Gruppen unterschieden sich signifikant voneinander (p = 0,003). Es konnte gezeigt werden, dass die kombinierte Inhalation von ätherischem Bergamotteöl und Wasserdampf innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne sowohl psychisch als auch physisch positive Effekte hervorruft, eine leichte Sedierung bei den gesunden Probanden wurde als positiv eingestuft Watanabe E, Kuchta K, Kimura M, Rauwald HW, Kamei T, Imanishi J. Effects of bergamot (Citrus bergamia (Risso) Wright u. Arn.) essential oil aromatherapy on mood states, parasympathetic nervous system activity, and salivary cortisol levels in 41 healthy females. Forsch Komplementmed 2015; 22: 43–49
  • In weiteren Arbeiten wurde Lasea alias Silexan (der Name der Zubereitung), bestehend aus einem speziellen Lavendelöl, das besonders reich an Linalylacetat ist, an weit über 1000 Patienten untersucht. Die daraus entwickelten dünndarmlöslichen Kapseln hatten annähernd die gleiche Wirkung wie das viel eingesetzte Benzodiazepam Lorazepam – allerdings ohne das suchterzeugende Potenzial. Das in jeder deutschen Apotheke erhältliche Produkt wird inzwischen gerne bei Schlafstörungen und leichten Angstzuständen empfohlen.

Dieser inzwischen gut untersuchte Bereich der Einnahme von magensaftresistenten Kapseln mit Lavendelöl wird in einer kostenlos erhältlichen Übersichtsarbeit erläutert: Yap WS, Dolzhenko AV, Jalal Z, Hadi MA, Khan TM. Efficacy and safety of lavender essential oil (Silexan) capsules among patients suffering from anxiety disorders: A network meta-analysis. Sci Rep. 2019 Dec 2;9(1):18042

Denkbar wäre, dass diese in den aktuellen sorgenvollen Zeiten wenigstens für besseren Schlaf, und damit für stärkere Nerven tagsüber sorgen könnten. Dazu erschien vergangenes Jahr eine Arbeit der "Lasea-Gelehrten": Seifritz E, Schläfke S, Holsboer-Trachsler E. Beneficial effects of Silexan on sleep are mediated by its anxiolytic effect. J Psychiatr Res. 2019 Aug;115:69-74

Bei 103 Palliativpflegepatienten zeigte Römische Kamille in Trägeröl (als Kontrolle nur Trägeröl) eine signifikante Verringerung ihrer Ängste nach Aromamassagen: Das Fazit dieser Arbeit: Massagen mit oder ohne ätherische Öle scheinen den Grad der Ängste zu reduzieren. Die Hinzunahme eines ätherischen Öles scheint diesen Effekt zu verstärken und verbessert die körperlichen und seelischen Symptome wie auch die Lebensqualität Wilkinson S, Aldridge J, Salmon I, Cain E, Wilson B. An evaluation of aromatherapy massage in palliative care. Palliat Med 1999; 13: 409–417